BEETHOVENS AKADEMIEKONZERT AM 22. DEZEMBER 1808 |
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EINLEITUNG
Wer sich mit Beethovens Leben befasst, erfährt unweigerlich das eine oder andere über sein berühmtes "Mammutkonzert" vom 22. Dezember 1808. Da in ihm nicht nur ein Werk ganz oder teilweise dem Publikum neu vorgestellt wurde, sondern mehrere, haben wir uns entschlossen, unseren Blick auf diesen Abend als eigene Seite vorzustellen, so dass sie von mehreren Entstehungsgeschichten aus verlinkt werden kann.
Unsere kleine Entdeckungsreise versucht, ein möglichst gründliches Bild dieses Abends zu vermitteln, so dass wir uns alle aus dem einen oder anderen, das wir bereits davon wissen, im Zusammenhang mit ihm einen so abgerundeten, lebendigen Eindruck wie möglich erarbeiten können.
VORGESCHICHTE
Ein "Mammutkonzert" wie das am 22. Dezember 1808 veranstaltete fällt gewiss nicht vom Himmel! Die Vorleistungen, die Beethoven dazu zu bringen hatte, erfordern, dass wir uns auch mit den zu diesem Konzert führenden Ereignissen und Vorbedingungen befassen.
Um einen Termin für ein Akademiekonzert zu erhalten, hatte Beethoven seine Werke und teilweise auch sich selbst zu anderen Benefizkonzerten, die den Theaterarmen zugute kommen sollten, zur Verfügung zu stellen.
Werfen wir also zuerst einen Blick auf Information zu diesem Thema. Beethovens in der Henle Gesamtausgabe enthaltene relevante Korrespondenz des Jahres 1808 zeigt uns, wie weit zurück seine diesbezüglichen Bemühungen reichten:
Heinrich Joseph von Collin
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin
[Wien, März 1808][1]
Ich bitte sie lieber Freund, da sie sich wohl jenes Billets erinnern werden, Welches sie mir geschrieben, als ihnen H.v. Hartl[2] Den Auftrag Wegen der Akademie für die Theater-armen an mich gegeben, die Freude darüber als sie mir deswegen geschrieben, machte, daß ich gleich mit diesem schreiben zu meinem Freunde Breuning[3] ging, um es ihm zu zeigen, Dort ließ ich es liegen, und so ist es verkommen, der Inhalt davon war so viel ich mich erinnere: "daß sie mir schrieben mit Hr. v. Hartl gesprochen zu haben, Wegen einem Tag für eine Akademie, und daß er ihnen darauf den Auftrag gegeben, mir zu schreiben, daß, wenn ich zu der diesjährigen Akademie für die Theaterarmen Wichtige Werke zur Aufführung [sic] <und> gebe, und selbst dirigire, ich mi<ch>r gleich einen Tag für eine Akademie im Theater an der Vien aussuchen könne, und so könnte ich alle Jahr auf diese Bedingungen einen Tag haben. Vive Vale<<[4] sicher bin ich daß das Billet so abgefaßt war, ich hoffe, sie schlagen mir es nicht ab, dieses billet mir jezt noch einmal zu schreiben, Es braucht weder Tag noch datum, mit diesem Billet will ich noch einmal zu Hr. v Hartl, vieleicht daß dieses doch einigen Eindruk macht -- und ich so das erhalte, was er mir und ihnen versprochen--noch einige Täge, dann sehe ich sie -- Es war mir Vor Arbeit und Verdruß noch nicht möglich.
ganz ihr Beethowen
An Herrn Von Kollin Hof Sekretär"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 321, S. 9; Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek; zu [1]: verweist darauf, dass sich laut GA Briefe 321, 322, 323 und 324 auf Beethovens Bemühen um eine Akademie zu eigenen Gunsten im Theater an der Wien in der Karwoche 1808, 10. - 16. April, beziehen, wozu die Theaterdirektion, seit Anfang 1808 in der Hand Joseph Hartls, die Genehmigung zu erteilen hatte und einen Tag zu bestimmen hatte. Laut GA hatte Harl offenbar zu einem schon länger zurückliegenden Zeitpunkt grundsätzlich seine Zustimmung gegeben. Laut GA ergibt sich die genaue Datierung der Briefgruppe mit Ende März 1808 aus der Erwähnung einer italienischen Opernaufführung in Brief 322, aus Beethovens Fingererkrankung [Brief 323], und aus dem Fastentermin [Brief 324]; zu [2]: verweist auf Joseph Hartl Edler von Luchsenstein; zu [3]: verweist auf Stephan von Breuning; zu [4]: verweist darauf, dass das Schreiben nicht erhalten ist; Einzelheiten S. 9 entnommen].
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin[1]
[Wien, März 1808][2]
Lieber Freund, ich wollte diesen Morgen zu ihnen kommen, aber eine mich gestern Während der Vorstellung der italienischen oper[3] überfallene Kolick hindert mich heute so früh aus zu gehen -- Wegen Hatel[4] müßen wir etwas schriftliches haben, oder wenigstens muß mir derselbe seine Zusage machen in Gegenwart zweier Zeugen, wovon sie einer und der andre Breuning seyn kann -- ich dächte aber ein kurzes schreiben hierüber sey leicht abgefaßt[.] wie? -- das ist mir einerley, wenn man selbst hinein sezt aus Mitleiden etc das niedrigste, das Niederträchtigste bin ich ja ohnedem hier gewohnt -- und um ihnen zu lieb, um mit ihnen wirken zu können, mag das auch noch seyn -- ich habe 3 Schriften über einen Tag im Theater von vorigem Jahr,[5] mit der Polizey schriften machens gerade 5 über einen Tag, den ich nicht erhalten, schon um der vergeblichen Mühe willen sollte man mir den ohnedem schuldigen Tag geben, ich sage den Schuldigen, denn wenn ich will, kann ich die T.[eater] D.[irektion] vermittels meines Rechts zwingen, mir diesen Tag zu geben, indem ich mit einem Advokaten hierüber gesprochen -- Warum sollte ich's nicht thun, hat man mich nicht auf's aüßerste gebracht? -- -- fort mit allen rüksichten gegen diese Vandalen der Kunst --
Morgen werde ich selbst zu H.[artl] gehen, ich war schon einmal da, er war aber nicht zu Hause -- ich bin so verdrießlich, daß ich mir nichts wünsche als ein Bär zu seyn, um so oft ich meine Taze aufhöb, einen sogenanten großen -- -- -- -- Esel zu Boden schlagen zu können
Beethown"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 322, S. 10; zu [1]: verweist darauf, dass aus inhaltlichen Gründen Heinrich Joseph von Collin als Adressat anzunehmen ist; zu [2]: verweist darauf, dass dieses Schreiben aus derselben Zeit wie Brief 321 stammt; zu [3]: verweist darauf, dass die einzige italienische Oper, die zu dieser Zeit in Wien gegeben wurde, Johann Simon Mayrs Oper Adelasia de Aleramo war, die am 26. Februar 1808 im Kärntnertortheater zum ersten Mal aufgeführt worden war. Wiederholungen fanden laut GA am 26. Februar sowie am 21., 24. und 28. März statt; zu [4]: verweist auf Joseph Hartl Edler von Luchsenstein; zu [5]: verweist darauf, dass sich Beethoven bereits Ende 1806 um einen Tag für eine Akademie im Frühjahr 1807 bemüht hatte. Laut GA wurde jedoch der für den März 1807 vorgesehene Termin immer wieder verschoben. Dazu verweist die GA auf Briefe Nr. 262, 267, 268, 274 und 275; Einzelheiten S. 10 entnommen].
Wie wir aus Anmerkung [5] zu Brief Nr. 322 ersehen können, hatte sich Beethoven im März 1808 bereits seit Ende 1806 vergeblich um einen Termin für ein Akademiekonzert zu seinen Gunsten bemüht. Dass es jedoch auch im Frühjahr 1808 nicht zu einem solchen kommen sollte, zeigen uns Briefe Nr. 323 und Nr. 324:
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin[1]
[Wien, März 1808][2]
Euer liebden Her[r] Bruder, auf diese weise bin ich zufrieden, sobald mir nur auf eine Art welche immer fnr die 2000 fl. wegen der oper einige schriftliche Sicherheit gegeben wird[3] -- Auf den Tag im Theater thue ich gern verzicht, obschon ich im Voraus überzeugt bin, daß diese Tage nach diesem Jahr nur unwürdige erhalten -- was jedoch den Redoutensaal betrift, das will ich in nähere überlegung ziehen --
Euer liebden Herr Bruder leben sie wohl begeben sie sich derweil in ihr durchlauchtiges königliches poetisches Land, für mein Musikalisches werde ich nicht minder Sorgen --
Mit meiner Kolick gehts besser -- aber mein armer Finger hat gestern eine starke Nagel-operation leiden müßen,[4] gestern als ich ihnen schrieb, sah dasselbe sehr Drohend aus, heute ist er von schmerz ganz schlaff
Nb. heute kann ich nich[t] mehr ausgehen, doch hoffe ich morgen zu H.[artl] <g> --"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 323, S. 11; Original: Dortmund, Stadt- und Landesbibliothek; zu [1]: verweist laut GA darauf, dass der Adressat aus dem Inhalt und dem Zusammenhang mit den Briefen 321 und 322 zu erschließen ist; zu [2]: verweist zur Datierung laut GA auf Brief 321, Anm. [1]; zu [3]: der Brief stellt laut GA offenbar eine Antwort auf ein Schreiben Collins dar, in dem dieser über seine erfolgreichen Verhandlungen mit der Theaterdirektion über einen Opernauftrag berichtete und einen akzeptablen Grund nannte, weshalb Beethoven auf eine Akademie im Theater and der Wien zu verzichten hatte. Möglicherweise, so die GA, wurde der Redoutensaal als Alternative angeboten; zu [4]: verweist laut GA darauf, dass das Nagelleiden auch in Beethovens Brief an den Grafen Oppersdorff [Brief Nr. 325], sowie in Stephan von Breunings Brief an Franz Gerhard Wegerler vom März 1808 erwähnt wird; Einzelheiten S. 11 entnommen].
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin[1]
[Wien, März 1808][2]
Ich war mein lieber seit vorgestern Dreymal bey ihnen, ohne sie gefunden zu haben -- vorgestern mit Breuning[3], der sie gern einmal wieder gesprochen hätte -- Die Sache der Akademie hat sich wohl für diese Fasten[4] zu lang verzogen -- so wichtig sie auch für meine weitere Existenz ist -- ihr Brief[5] ist in Betreff deßen in zu allgemeinen Ausdrücken -- daher bitte ich sie mir sagen zu laßen, obs ihnen recht ist, wenn ich (oder mein Bruder[6], indem ich heute etwas wichtiges zu thun habe) zu ihnen in ihrem Bnrreau sie sprechen kann -- Um 9 uhr konnte ich nicht wiederkommen, da ich -- eine kleine probe habe --
ganz ihr Beethowen"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 324, S. 11-12; Original: Torino, Biblioteca civica centrale (Fondo Prior - Mazzo 4); zu [1]: laut GA ist der Adressat aus dem inhaltlichen Zusammenhang zu erschließen; zu [2]: laut GA ist das Wasserzeichen dieses Briefes aus drei weiteren Briefen Beethovens bekannt, von denen zwei auf das Jahr 1808 datiert werden können, und einer davon ist No. 321, an Collin gerichtet; der Brief steht laut GA mit den Planungen für eine Akademie in der Karwoche des Jahres 1808 im Zusammenhang, wobei Collin als Vermittler fungierte; zu [3]: verweist auf Stephan von Breuning; zu [4]: verweist darauf, dass die Fastenzeit 1808 am 16. April endete; zu [5]: laut GA verweist dies offenbar auf die in Brief Nr. 321 erbetene zweite Niederschrift eines Briefes von Collin, in dem Hartls Zustimmung für eine Akademie erteilt wurde; zu [6]: laut GA kann nicht entschieden werden, ob hier Kaspar Karl van Beethoven gemeint ist; Einzelheiten S. 12 entnommen].
Der uns aus den hier zitierten vier Beethovenbriefen an Collin bereits bekannte Joseph Hartl Edler von Luchsenstein wandte sich im April in Bezug auf das Benefizkonzert vom 13. April an den Komponisten:
"Joseph Hartl von Luchsenstein[1] an Beethoven
[Wien[, 8. April [1808]
Es ist nun bestimmt daß dienstags den 12ten Aprill im Hoftheater nächst der Burg die musikalische Accademie zum Vortheile der Armen gegeben,[2] und daß selbe aus verschiedenen Musikstücken zusammengesezt sein wird. Mlle Müllner[3] wird sich auf der Harfe, und Herr Guiliani[4] auf der Guitare horen lassen; auch werd ich für einige Singstücke sorgen. Da Sie nun so gefällig waren, auch Ihrerseits zum Besten der Armen beytragen zu wollen, ersuche ich Sie, mich bis morgen wissen zu lassen, welche Ihrer Arbeiten Sie hierzu zu widmen gesonnen sind. Mit aller Achtung
v. Hartl
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 326, S. 13 - 14; Original: nicht bekannt, Text laut GA nach dem "Correspondenz- und Brief-Protocoll-Buch" der Hoftheaterdirection 1806 - 1808; zu [1]: verweist auf Joseph Hartl Edler von Luchsenstein, den kaiserlichen Hofagenten in Wien, der 1799 geadelt wurde, 1803 zum Regierungsrat, und 1809 zum Ritter des Leopoldsordens und 1815 zum kaiserlichen Hofrat ernannt wurde; laut GA gründete er 1802 die Pottendorfer Spinnfabrik und war in verschiedenen Wohltätigkeitvereinigungen tätig und erlangte dadurch ein hohes Ansehen; von 1808 bis 1811 übernahm er laut GA die Direktion der beiden Hoftheater und des Theaters an der Wien und gründete in dieser Zeit ein Pensionsinstitut für verdiente Schauspieler, für das er regelmäßig Wohltätigkeitakademien durchführte; zu [2]: verweist darauf, dass laut GA diese Akademie erst am 13. April im Burgtheater stattfand, wobei von Beethoven die Vierte Symphonie op. 60, die Ouvertüre zu Coriolan op. 62 sowie das dritte Klavierkonzert op. 37 gespielt wurden; dazu verweist die GA auch auf AMZ 10 (1808), SP. 540f, sowie TDR III, S. 62; zu [3]: verweist auf Josepha Müllner, die von 1811 bis 1827 als Harfenmeisterin in der Wiener Hofkapelle angestellt war; zu [4]: verweist auf Mauro Guiliani, den italienischen Gitarristen und Komponisten, der sich von 1806 bis 1819 in Wien aufhielt; Einzelheiten S. 13-14 entnommen].
Die Henle Gesamtausgabe enthält zwei weitere Briefe aus dem August dieses Jahres, in denen uns Collin und Hartl begegnen, jedoch im Zusammenhang mit einer möglichen Zusammenarbeit Collins und Beethovens an einer geplanten Oper:
In Brief Nr. 332 an Heinrich Joseph von Collin bespricht Beethoven Pläne Collins zu einem Libretto zu einer möglichen Oper "Alcine" und teilt ihm seine Einwendungen mit; dieser Brief muss laut GA vor dem 6. August 1808 abgefasst worden sein.
Am 6. August, in Brief Nr. 333, wendet sich Joseph Hartl an Beethoven und erwähnt darin ein ihm bereits seit langem zugegangenes Manuskript Collins zur geplanten Oper "Alcine" und mahnt die Komposition dazu an.
Beethovens letzte Briefe dieses Jahres an Collin erwähnen sowohl Opernpläne als auch sein eigenes Akademiekonzert:
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin
[Wien, November 1808][1]
Ich bitte sie nur mein lieber Kollin Geduld zu haben bis nach meiner Akademie, wo ich schon des andern Tages zu ihnen kommen werde -- seyn sie versichert, daß mein Betragen gegen sie gewiß nicht zu weniger Achtung gegen sie herrührt -- sobald sie ihre oper[2] nicht schon jemand anders gegeben, welches ich nicht hoffe, so seyn sie Gewiß, daß ich mich ehestens dran mache"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 342, S. 28; Original: Bonn, Beethoven-Haus; zu [1]: verweist laut GA darauf, dass der Brief wohl nach Beethovens Rückkehr aus Baden, Ende Oktober 1808, und vor der Akademie vom 22.12.1808 geschrieben wurde; laut GA dürfte der Termin für die Akademie frühestens im November festgesetzt worden sein; zu [2]: verweist auf Collins Oper Bradamante; Einzelheiten S. 28 entnommen].
"Beethoven an Heinrich Joseph von Collin
[Wien, Ende November/Anfang Dezember 1808][1]
Großer erzürnter Poet!!! !!!
laßen sie den Reichardt fahren -- nehmen sie zu ihrer Poesie meine Noten, ich verspreche ihnen, daß sie nicht in Nöten dadurch kommen sollen -- sobald meine Akademie, die mir wirklich, wenn sie dem Zweck mir etwas einzutragen entsprechen soll, mir viel Zeit Raubt vorbey ist, komme ich zu ihnen, und dann wollen wir die Oper gleich vornehmen -- und sie soll bald klingen -- übrigens über das, worüber sie Recht haben, ihre Klagen <gegen> über mich erschallen zu laßen, Mündlich -- sollten sie aber Wircklich im Ernst Gesonnen seyn, ihre oper von R. schreiben zu lassen,[2] so bitte ich sie mir gleich solches zu wißen machen.
mit Hochachtung ihr ergebenster
Beethowen
Meine Wohnung ist 1074 in der Krugerstraße im ersen Stock bey der gräfin Erdödy
Dieser Brief ist seit 8 Tagen geschrieben -- ist aber vergeßen word[en][3]
Für Herrn Von Kollin"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe, Band 2, Brief Nr. 344, S. 28-29; Original: Bonn, Beethoven-Haus; zu [1]: verweist laut GA darauf, dass der Brief nach der Vergabe der Oper Bradmante an Johann Friedrich Reichardt und vor Beethovens Akademie vom 22.12.1808 geschrieben wurde; laut GA kam Reichardt am 24.11.1808 in Wien an und verhandelte mit Collin und der Theaterdirektion zwischen dem 26. und 30. November; als Quelle verweist die GA auf Johann Friedrich Reichardt, Vertraute Briefe geschrieben auf einer Reise nach Wien, Amsterdam 1810, Bd. 1, S. 160f., Elfter Brief vom 30.11.1808; zu [2]: verweist darauf, dass die Beauftragung Reichardts nicht zurückgenommen wurde. Jedoch gelangte die Oper laut GA wegen der Kriegsereignisse nicht zur Aufführung; zu [3]: verweist darauf, dass dieser Satz auf der Adressenseite steht; Einzelheiten s. 29 entnommen].
Vergleichen wir nun diese Korrespondenz mit dem relevanten Bericht in Thayer-Forbes:
" . . . In return for Beethoven's noble contributions of his works and personal services to the charity concerts of November 15, 1807 (4th Symphony), April 13 and November 15, 1808, Hartl finally gave him the use of the Theater-an-der-Wien for an Akademie on December 22.
That this was the end of a series of frustrating postponements for Beethoven is made clear by his correspondence with Court Secretary Collin, in whom he confided. In a note written early in the year Beethoven listed the number of letters already in his possession concerning a possible day for his concert in return for past services, and gave vent to his wrath over the procrastination of the Theatre Directors. He suggested that a statement be written for Hartl to sign, with Breuning and Collin as witnesses, and even spoke of having discussed with a lawyer his right to compel the management to give him a day. The letter ends: "Tomorrow I'll go see H[artel] myself. I was there once but he wasn't home-- I am so vexed that all I want is to be a bear so that every time I lifted my paw I could knock down one of the so-called great -- -- asses." The tone became more resigned in a letter of the summer in which he wondered whether his inaction would force him to leave Vienna" (Thayer-Forbes: 455-456; --
-- Thayer-Forbes berichtet hier, dass Hartl Beethoven für seine noblen Beiträge seiner Werke und seiner persönlichen Dienste zu den Wohltätigkeitskonzerten vom 15. November 1807 (Vierte Symphonie), 13. April und 15. November 1808, endlich das Theater an der Wien für ein Akdademie-Konzert am 22. Dezember [1808] zur Verfügung stellte.
TF argumentiert dann weiter, dass aus Beethovens Korrespondenz mit dem Hofsekretär Collin, dem er sich anvertraut hatte, hervorgehe, dass dies für Beethoven das Ende einer Reihe von enttäuschenden Verzögerungen gewesen sei. TF verweist dann auf Beethovens Zeilen an Collin vom Anfang des Jahres 1808, in denen er auf eine Reihe von Briefen in seinem Besitz hinwies, die sich mit einem möglichen Termin für ein Akademiekonzert befassten, und dass Beethoven seinen Zorn gegenüber den Theaterleitern Luft machte und vorschlug, dass ein Text entworfen werden sollte, den Hartl unterschreiben sollte, mit Collin und von Breuning als Zeugen, und letztlich, dass er sogar davon gesprochen habe, dass er die Angelegenheit mit einem Rechtsanwalt besprochen habe in Bezug auf sein Recht, die Theaterleitung zu zwingen, ihm einen Tag zu geben. Der Brief ende mit: "Morgen werde ich selbst zu H.[artl] gehen, ich war schon einmal da, er war aber nicht zu Hause -- ich bin so verdrießlich, daß ich mir nichts wünsche als ein Bär zu seyn, um so oft ich meine Taze aufhöb, einen sogenanten großen -- -- -- -- Esel zu Boden schlagen zu können." In einem Brief aus dem Sommer werde Beethovens Ton jedoch etwas milder als er sich darin wunderte, ob ihn seine Inaktion nicht zwingen würde, Wien zu verlassen).
Dazu können wir ergänzend feststellen, dass Beethovens "Esels"-Bemerkung aus einem seiner Briefe an Collin vom März des Jahres stammt, als er sich, seit Ende 1806, noch immer vergeblich um einen Akademietermin bemühte und auch weiter vergeblich bemühen sollte, so dass seine Bemühungen insgesamt fast zwei Jahre lang währten: von Ende 1806 bis Ende 1808. Zu Hartl, Beethoven, und der Lage der Wiener Theater zum Zeitpunkt seiner Übernahme ihrer Leitung berichtet Thayer-Forbes:
" . . . as in the spring so now in autumn, it was Beethoven's popularity that must insure success to the Grand Concert for the public charities; it was his name that was known to be more attractive to the Vienna public than any other, save that of the venerable Haydn; and as Haydn's oratorios were the staple productions at the great charity concerts of vocal music in the Burg theatre, so the younger master's symphonies, concertos and overtures formed the most alluring programmes for the instrumental Akademies in the other theatres--at all events, in 1808, this was the opinion of Court Councillor Joseph Hartl, the new theatre director. It was not so much for his love of art, as for the great reputation which his administrative talents had gained him that Hartl was called to assume the labors of directing the theatres, then sunk "into most embarrassing conditions"-- a call which he accepted. For three years he administered them wisely, and with all the success possible in the troubled state of the public business and finances.
A supervisor of the public charities, who at the same time controlled the theatres, he was of course able to secure the highest talent for benevolent concerts on terms advantageous to all parties concerned; and thus it came about, that at the concert for public charities in the Theater-an-der-Wien on the evening of Leopold's day, Tuesday, November 15th, Beethoven conducted one of his symphonies, the "Coriolan" Overture, and a pianoforte concerto--perhaps he played the solo of the last; but the want of any detailed report of the concert leaves the point in doubt, Which of the symphonies and concertos were performed on the occasion is not recorded; it is only known that they were not new. . . . " (Thayer-Forbes: 445; --
-- TF berichtet dass, wie im Frühling, so auch im Herbst, es Beethovens Beliebtheit gewesen sei, die den Erfolg des großen Benefizkonzerts sichern sollte; es sei sein Name gewesen, der für das Wiener Publikum mehr Zugkraft hatte als alle anderen, mit Ausnahme des verehrten Haydn; so wie Haydns Oratorien die Standardwerke für die Vokalmusikbenefizkonzerte im Burgtheater lieferten, seien es die Symphonien, Konzerte und Ouvertüren des jüngeren Meisters gewesen, die die interessantesten Werke der Instrumental-Akademien in den anderen Theatern lieferten. Auf alle Fälle sei dies die Meinung des Hofrats Joseph Hartl, des neuen Theaterdirektors, gewesen. Dieser sei weniger wegen seiner Kunstliebe sondern mehr wegen seines Rufs als guter Verwalter zum Direktor Wiener Theater ernannt worden, die zu dieser Zeit in einen sehr beschämenden Zustand verfallen gewesen seien. Drei Jahre lang habe Hartl die Theater gut verwaltet, mit dem zu dieser Zeit schlechten Zustand öffentlicher Finanzen größtmöglichen Erfolg.
Als Leiter der Benefizkonzerte, der zur gleichen Zeit Kontrolle über die Theater hatte, sei er selbstverständlich in der Lage gewesen, die besten Talente für diese Benefizkonzerte zu sichern, und das zu Bedingungen, die allen Teilen zum Vorteil gereichten. So habe es sich ergeben, dass Beethoven beim Benefizkonzert am Leopoldstag, Dienstag, dem 15. November [1808] eine seiner Symphonien, die "Coriolan"-Ouvertüre und eines seiner Klavierkonzerte dirigierte--laut TF mag er vielleicht selbst am Klavier gesessen haben, was jedoch mangels genauer Berichte nicht sicher festzustellen sei. Auch sei nicht klar, welche Symphonie und welches Klavierkonzert dargeboten wurde. Es sei nur sicher, dass beide nicht neu waren).
Hier sollten wir nun noch näher auf das Benefizkonzert vom 15. November 1808 eingehen und Thayer-Forbes dazu lesen:
"It is unfortunate that the concert of November 15, 1808, was so completely forgotten by all whose contemporary notices of later reminiscences are now the only sources of information; for it is certain that, either in the rehearsals or at the public performance, something happened which caused a very serious misunderstanding and breach between Beethoven and the orchestra; but even this is sufficient to remove some difficulties otherwise insuperable. Ries records in the Notizen (p. 84) that a scene is said once to have happened in which the orchestra compelled the composer to realize his injustice "and in all seriousness insisted that he should not conduct. In consequence, at the rehearsal, Beethoven had to remain in an anteroom, and it was a long time before the quarrel was settled." Such a quarrel did arise at the time of the November concert. In Spohr's Autobiography is a story of Beethoven's first sweeping off the candles at the piano and then knocking down a choir boy deputed to hold one of them, by his too energetic motions at this concert, the two incidents setting the audience into a "bacchanalian jubilation" of laughter. It is absolutely certain, however, that nothing of the kind occurred at the concert itself.
Compare now these statements by Ries and Spohr with citations from notes of a conversation with Röckel: "Beethoven had made the orchestra of the Theater-an-der-Wien so angry with him that only the leaders, Seyfried, Clement, etc., would have anything to do with him, and it was only after much persuasion and upon condition that Beethoven should not be in the room during the rehearsals, that the rank and file consented to play. During the rehearsals, in the large room in back of the theatre, Beethoven walked up and down in an anteroom, and often Röckel with him. After a movement Seyfried would come to him for criticisms. Röckel believed the story (ie., if told of a rehearsal) of Beethoven in his zeal having knocked the candles off the pianoforte, and he himself saw the boys, one on each side, holding candles for him" (Thayer-Forbes: 445-446; --
Beethoven am Dirigentenpult
Thayer-Forbes bedauert, dass das Konzert vom 15. November von allen zeitgenössischen Berichterstattern des Benefizkonzerts vom 22. Dezember 1808 so vollkommen vergessen wurde; sicher sei jedoch, dass entweder bei den Proben zum Benefizkonzert vom 15. November oder beim Konzert selbst etwas geschah, das zu einem ernsten Missverständnis zwischen Beethoven und dem Orchester führte. . . . So habe Ries in seinen Notizen auf Seite 84 berichtet, dass sich einmal eine Szene ereignet haben soll, in der das Orchester Beethoven nötigte, seine Ungerechtigkeit einzusehen und nicht zu dirigieren, und dass er bei der Probe in einem Vorzimmer zu bleiben hatte, und dass es lange gedauert habe, bis der Streit geschlichtet werden konnte. Solch ein Streit soll sich laut Thayer-Forbes anlässlich des Konzerts vom 15. November zugetragen haben. In Spohrs Autobiografie finde man eine Geschichte, derzufolge Beethoven zunächst mit seinen Armen die Kerzen vom Klavier gefegt hatte und dann einen Jungen, der eine der Kerzen für ihn halten sollte, durch seine zu lebhaften Armbewegungen umgestoßen hatte, worauf "bacchanalisches Gelächter" ausgebrochen sei. Es sei jedoch nicht sicher, ob sich dies bei der Probe oder beim Konzert selbst zutrug. Thayer-Forbes (S. 446) geht dann auf die Aufzeichnung eines Gesprächs mit Röckel ein, derzufolge Beethoven das Orchester des Theaters so zornig gemacht hatte, dass nur dessen Leiter, Seyfried, Clement, usw. noch etwas mit ihm zu tun haben wollten, und nur nach einiger Überredung und unter der Bedingung, dass Beethoven während der Proben nicht im Raum sein sollte, wollten die Musiker weiterspielen. Während der Probe soll Beethoven im großen Vorzimmer auf und ab gegangen sein, während Seyfried nach jedem Satz zu ihm gekommen sei und ihn um Kritik gebeten habe. Röckel habe auch die Geschichte geglaubt, derzufolge Beethoven in seinem "Schwung" die Kerzen umgestoßen haben soll. Er habe auch berichtet, dass er die Jungen, die auf jeder Seite für Beethoven die Kerzen hielten, selbst gesehen habe).
Zur Vorgeschichte gehören also nicht nur Beethovens Enttäuschungen in Bezug auf die Erteilung eines Konzerttermins, sondern auch sein eigenes Verhalten beim letzten Benefizkonzert. Sein eigenes Verhalten sollte sich auch noch auf die Sängerinnenwahl des Benefizkonzerts auswirken. Thayer-Forbes berichtet dazu:
"But the concert-giver's troubles were not ended even by his yielding to the demands of the orchestra. A solo singer was to be found and vocal pieces to be selected. In a note to Röckel Beethoven wrote: " . . . in the matter of the vocal pieces I think that we ought to have one of the women singers who will be signing with us sing an aria first--then we would make two numbers out of the Mass, but with German text. Find out who could do this well for us. It need not be a masterpiece, provided it suits the music well." And in another note: "Be clever in regard to Milder--say to her only that to-day you are begging her in my name not to sing anywhere else, to-morrow I will come in person to kiss the hem of her garment--but do no forget Marconi . . . "
Milder was to sign the aria "Ah, perfido! spergiuro," said Röckel, and accepted the invitation at once. But an unlucky quarrel provoked by Beethoven resulted in her refusal. After other attempts, Röckel engaged Fräulein Josephine Killitschgy, Schuppanzigh's sister-in-law. . . . " (Thayer-Forbes: 447; --
-- TF schreibt hier, dass mit Beethovens Nachgeben in Bezug auf die Musiker seine Sorgen noch nicht zu Ende waren. Eine Solosängerin musste gefunden werden und Vokalstücke mussten ausgesucht werden. In einem Brief an Röckel habe Beethoven geschrieben: " . . .in Ansehung der singsachen, glaube ich, sollte man eine von den sängerinnen, Welche unß singen wird, erst eine Arie singen laßen[4] -- alsdenn machten wir zwei Stücke aus der Meße[5] jedoch mit deutschem text hören sie sich doch um, wer unß dieses wohl machen könnte, Es braucht eben kein Meisterstük zu seyn, wenn es nur gut auf die Musik paßt " Und in einem anderen Brief habe er ihm geschrieben: " Lieber Röckel machen sie ihre Sache nur recht gut bey der Milder[3] -- sagen sie ihr nur, daß sie heute sie schon in meinem Namen voraus bitten, damit sie nirgends anders singen möge, Morgen komme ich aber selbst um den Saum ihres Rocks zu küssen--vergessen sie doch auch nicht auf die Marconi . . ."
Wie TF weiter berichtet, sollte Milder die Arie "Ah, perfido! spergiuro" singen, und habe die Einladung sofort angenommen. Jedoch habe ein durch Beethoven ausgelöster, unglücklicher Streit dazu geführt, dass sie ablehnte. Nach weiteren Versuchen habe Röckel Fräulein Killitschgy, Schuppanzighs Schwägerin, engagiert. . . . ).
Beethovens Zeilen an Röckel können wir hier aus der Henle-Gesamtausgabe zitieren:
"Beethoven an Joseph August Röckel[1]
[Wien, vor dem 22. Dezember 1808][2]
Lieber Röckel machen sie ihre Sache nur recht gut bey der Milder[3] -- sagen sie ihr nur, daß sie heute sie schon in meinem Namen voraus bitten, damit sie nirgends anders singen möge, Morgen komme ich aber selbst um den Saum ihres Rocks zu küssen--vergessen sie doch auch nicht auf die Marconi[4] -- und werden sie nicht böse auf mich, der ich sie mit so vielem belästige --
ganz Ihr Beethowen"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe Band 2, Brief Nr. 347, S. 30-31; Original: Oakland, Kalifornien, Mills College; zu [1]: verweist auf Joseph August Röckel [1783 - 1870], Tenor, Vater des späteren Wagner-Freundes August Röckel, der seit Herbst 1805 am Theater an der Wien angestellt war und bei der Wiederaufnahme des Fidelio (Leonore) im Jahr 1806 die Partie des Florestan übernommen hatte. Laut GA stammt seine Freundschaft mit Beethoven aus dieser Zeit, über die er auch Thayer berichtete; zu [2]: verweist laut GA darauf, dass das Schreiben im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu Beethovens Akademie vom 22.12.1808 steht; zu [3]: verweist auf Pauline Anna Milder (1785 - 1838), die Wiener Sopranistin, die seit 1803 am Theater an der Wien angestellt war; laut GA sang sie 1805 und 1806 in der ersten und zweiten Fassung des Fidelio die Partie der Leonore, die Beethoven für sie geschrieben hatte; laut Röckels Bericht sollte sie in der Akademie vom 22.12.1808 die Aire "Ah perfido" op. 65 singen. Ein Streit zwischen Beethoven und dem Juwelier Peter Hauptmann, ihrem späteren Gatten, führte jedoch zu ihrer Absage; zu [4]: verweist auf doppelte Unterstreichung und auf die Altistin Marianna Marconi (1785 - 1882), ab 1809 verheiratete Schönberger, aus Mannheim stammend, die von 1805 bis 1810 an den Wiener Hoftheatern angestellt war und in der Akademie vom 22.12.1802 in der Messe op. 86 sang; Einzelheiten S. 30-31 entnommen].
"Beethoven an Joseph August Röckel[1]
[Wien, vor dem 22. Dezember 1808][2]
Hier mein lieber mache ich ihnen ein kleines Geschenk mit dem englischen lexikon[3] -- in Ansehung der singsachen, glaube ich, sollte man eine von den sängerinnen, Welche unß singen wird, erst eine Arie singen laßen[4] -- alsdenn machten wir zwei Stücke aus der Meße[5] jedoch mit deutschem text hören sie sich doch um, wer unß dieses wohl machen könnte, Es braucht eben kein Meisterstük zu seyn, wenn es nur gut auf die Musik paßt --
ganz ihr Beetho[w]en"
[Quelle: Ludwig van Beethoven Briefwechsel Gesamtausgabe: Band 2, Brief Nr. 348, S. 31; Original: Stanford (Kalifornien), University Library; zu [1]: verweist darauf, dass der Adressat aus dem Inhalt des Schreibens zu erschließen ist; zu [2]: verweist darauf, dass das Schreiben im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Akademie vom 22.12.1808 steht; zu [3]: verweist darauf, dass Thayer dazu im Zusammenhang mit einer Unterhaltung mit Röckel notierte: "Da Röckel kein englisches Lexikon besaß, schickte ihm Beethoven ein solches; da es aber kein englisch-deutsches war, so machte Röckel einen Tausch mit seinem Lehrer und gab ihm das 'Pronouncing dictionary' gegen ein solches, wie er es bedurfte; zu [4]: verweist darauf, dass in der Akademie Josephine Killitschky, die Schwägerin Ignaz Schuppanzighs, die Arie "Ah perfido", op. 65, sang; zu [5]: verweist auf op. 86; Einzelheiten S. 31 entnommen]
Wie Thayer-Forbes (S. 446) und TDR (Bd. 3, S. 78) berichten, wurde die Akademie in der Wiener Zeitung vom 17. Dezember angekündigt.
ZUM AKADEMIEKONZERT VOM 22. DEZEMBER 1808
Zuschauerraum im
Theater an der Wien
Der Bericht vom Januar 1809 in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung bietet uns einen guten Ausgangspunkt zur Betrachtung dieses Konzerts (und eine ausführlichere Beschreibung der einzelnen Werke als in der Ankündigung der Wiener Zeitung):
"Unter den m u s i k a l i s c h e n A k a d e m i e n , die auf den Theatern während der Christwoche gegeben wurden, ist unstreitig die, welche B e e t h o v e n den 22sten Dec. im Theater an der Wien gab, die merkwürdigste. Sie enthielt nur Stücke von seiner Komposition, und zwar ganz neue, die noch nicht öffentlich gehört und gröstentheils auch noch nicht herausgegeben sind. Die Ordnung, in welcher sie auf einander folgten, war folgende. (Ich gebe sie absichtlich mit den eigenen Worten des Zettels an.)
Erste Abtheilung.
I. P a s t o r a l - S y m p h o n i e , (No. 5) mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey.
1tes Stück. Angenehme Empfindungen, welche bey der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen.
2tes Stück. Scene am Bach.
3tes Stück. Lustiges Beysammenseyn der Landleute; fällt ein
4tes Stück. Donner und Sturm; in welches einfällt
5tes Stück Wohlthätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm.
II. Arie, gesungen von Dm. Killitzky.
III. Hymne mit latein. Texte, im Kirchenstyle geschrieben, mit Chor und Solos.
Zweyte Abhteilung.
I. Grosse Symphonie in c moll (No. 6)
II. Heilig, mit latein. Texte, im Kirchenstyle geschrieben, mit Chor und Solos.
III. Fantaisie auf dem Klavier allein.
IV. Fantaisie auf dem Klavier, welche sich nach und nach mit Eintreten des Orchesters, und zuletzt mit Einfallen von
Chören als Finale endet.
Alle diese ausgeführten Stücke zu beurtheilen, ist, nach erstem und einmaligem Anhören, besonders da die Rede von Beethovenschen Werken ist, deren hier so viele nach einander gegeben wurden, und die meistens so gross und lang sind -- geradezu unmöglich. Kuerzer, unbeträchtlicher Anmerkungen, die sich wol machen lassen, enthalte ich mich aber um so mehr, da wir hoffen, dass Sie alles dieses bald selbst hören, und ein gründliches Urtheil den Lesern der musikal. Zeit. darüber mittheilen werden; denn verschiedene dieser Stücke sind schon gestochen, und mehrere andere sollen bald gestochen werden. Was hingegen die Exekutirung dieser Akademie betrifft, so war sie in jedem Betracht mangelhaft zu nennen. Dem. Killitzky hat zwar eine sehr angenehme Stimme, liess uns jedoch sehr wenig sichere und öfters sogar falsche Töne hören. Indessen schien dies mehr Folge von Schüchternheit zu seyn, welche sich mit der Zeit wol verlieren wird. Am auffalendsten war aber das Versehen, welches in der letzten Fantaisie vorfiel. Die Blas-Instrumente variirten das Thema, welches Beethoven vorher auf dem Pianoforte vorgetragen hatte. Jetzt war die Reihe an den Oboen. Die Klarinetten -- wenn ich nicht irre! -- verzählen sich, und fallen zugleich ein. Ein kurioses Gemisch von Tönen entsteht; B. springt auf, sucht die Klarinetten zum Schweigen zu bringen: allein das gelingt ihm nicht eher, bis er ganz laut und ziemlich unmuthig, dem ganzen Orchester zuruft: Still still, das geht nicht! Noch einmal -- noch einmal! und das gepriesene Orchester muss sich bequuemen, die verunglückte Fantaisie noch einmal von vorn anzufangen -- ! Der Wirkung aller dieser Stücke auf das gemischte Auditorium, und besonders der Stücke des zweyten Theils, schadete offenbar die Menge und die Länge der Musik. Ueberhaupt ist es bekannt, dass von Wien noch mehr, als von den meisten andern Städten, jener Ausspruch des Evangeliums, vom Propheten in seinem Vaterlande, gilt." [AMZ 1809: Spalte 267 - 269].
Wenn wir diesem Bericht folgen, dürfen wir annehmen, dass die Darbietung der Pastorale vergleichsweise glatt vonstatten gegangen sein mag. Über Beethovens eigene Mitwirkung am Verlust der Mitarbeit Anna Milders erfuhren wir bereits in der Vorgeschichte und sind auch damit vertraut, dass Schuppanzighs Schwägerin, Frl. Killitschky, sie zu ersetzen versuchte. Zu ihrer auch vom AMZ-Rezensenten angedeuteten Schüchternheit berichtet Thayer-Forbes (S. 447), dass diese junge, unerfahrene Sängerin von ihren Freunden und Bekannten so nervös gemacht wurde, dass sie, als Beethoven sie auf die Bühne begleitete und sich selbst überließ, vom Lampenfieber geschüttelt wurde und die Arie so unzulänglich sang, wie der AMZ-Rezensent davon berichtet.
Wenig [außer durch Reichardts Bericht, den wir hier noch nachfolgen lassen] ist wiederum bekannt, wie gut oder schlecht die erste 'Hymne' aus der Messe, Op. 86, die Fünfte Symphonie, und die zweite 'Hymne' aus Op. 86 dargeboten wurden, und ob das Publikum von Beethovens freier Fantasie auf dem Klavier angetan war.
Zu dem Werk, dessen Darbietung dann so viel Stoff für 'Nacherzählungen' bot, sollten wir zuerst einen Blick auf folgenden Teil des Thayer-Forbes'schen Berichtes werfen:
"Such a programme, exclusive of the Choral Fantasia, was certainly an ample provision for an evening's entertainment of the most insatiably musical enthusiast; nor could a grander termination of the concert be desired than the Finale of the C minor Symphony; but to defer that work until the close was to incur the risk of endangering its effect by presenting it to an audience too weary for the close attention needful on first hearing to its fair comprehension and appreciation. This Beethoven felt, and so, says Czerny, "there came to him shortly before the idea of writing a brilliant piece for this concert. He chose a song which he had composed many years before,[31: "Gegenliebe" from the double-song "Seufzer eines Ungeliebten" and "Gegenliebe," WoO118, written in 1794-95] planned the variations, the chorus, etc., and the poet Kuffner was called upon to write the words in a hurry according to Beethoven's hints. Thus originated the Choral Fantasia, Op. 80. It was finished so late that it could scarcely be sufficiently rehearsed. Beethoven related this in my presence in order to explain why, at the concert, he had had it repeated. "Some of the instruments had counted wrong in the rests,' he said; 'if I had let them play a few measures more the most horrible dissonances would have resulted. I had to make an interruption'" [Thayer-Forbes: 448;--
-- Wie Thayer-Forbes hier argumentiert, war solch ein Programm [wie das dieses Konzerts] mit Ausnahme der Chorfantasie bereits genug Stoff für die ausreichende Unterhaltung des begierigsten Musikenthusiasten, und man konnte sich auch keinen großartigeren Abschluss vorstellen als das Finale der c-Moll-Symphonie; dieses Werk jedoch als letztes anzusetzen, argumentiert TF, hätte die Gefahr mit sich gebracht, dass das Publikum nach dem langen Abend viel zu müde sein würde, es angemessen zu würdigen. Wie TF Czerny berichten lässt, habe Beethoven das gefühlt und "kurz davor die Idee gehabt, ein brilliantes Stück für dieses Konzert zu schreiben. Er wählte dazu ein Lied, das er viele Jahre zuvor komponiert hatte ["Gegenliebe", aus dem Liederpaar "Seufzer eines Ungeliebten und "Gegenliebe", WoO 118, 1794-1795 geschrieben], plante die Variationen, den Chor, usw., und der Dichter Kuffner wurde herangezogen, in Eile die Worte nach Beethovens Angaben zu schreiben. So ist die Chorfantasie, Op. 80, entstanden. Sie wurde so spät fertig, dass sie kaum gründlich genug einstudiert werden konnte. Beethoven erzählte mir das um mir zu erklären, warum er sie [die Chorfantasie] beim Konzert wiederholen ließ. "Einige der Instrumente hatten in den Pausen falsch gezählt", sagte er, "falls ich sie noch ein paar Takte hätte weiterspielen lassen, wären die schrecklichsten Misstöne entstanden. Ich musste unterbrechen"].
Thayer-Forbes sichtet zu diesem Vorfall verschiedene Berichte. Seyfried wird wie folgt zitiert:
"Seyfried (Appendix to Beethovens Studien, p. 15): "When the master brought out his orchestral Fantasia with choruses, he arranged with me at the somewhat hurried rehearsal, with wet voice-parts as usual, that the second variation should be played without the repeat. In the evening, however, absorbed in his creation, he forgot all about the instructions which he had given, repeated the first part while the orchestra accompanied the second, which sounded not altogether edifying. A trifle too late, the Concertmaster, Unrath, noticed the mistake, looked in surprise at his lost companions, stopped playing and called out drily: 'Again!' A little displeased, the violinist Anton Wranitsky asked 'With repeats?' 'Yes,' came the answer, and now the thing went straight as a string" . . . Seyfried says further: "At first he could not understand that he had in a manner humiliated the musicians. He thought it was a duty to correct an error that had been made and that the audience was entitled to hear everything properly played, for its money. But he readily and heartily begged the pardon of the orchestra for the humiliation to which he had subjected it, and was honest enough to spread the story himself and assume all responsibility for his own absence of mind." [Thayer-Forbes: 448-449; --
-- . . . "Als der Meister seine Orchesterfantasie mit Chören herausbrachte, vereinbarte er mit mir bei der etwas eiligen Probe . . . dass die zweite Variation ohne Wiederholung gespielt werden sollte. Am Abend jedoch, als er in sein Werk versunken war, vergaß er ganz die Anweisung, die er gegeben hatte, wiederholte den ersten Teil, während das Orchester den zweiten Teil begleitete, was gewiss nicht gut klang. Etwas zu spät stellte der Konzertmeister Unrath den Fehler fest, blickte überrascht auf seine verdutzten Kollegen, hörte zu spielen auf und rief trocken aus: 'Noch einmal!' Etwas indigniert fragte der Geiger Wranitsky, 'mit Wiederholung?' 'Ja!', war die Antwort, und nun ging die Sache wie am Schnürchen" . . . Seyfried berichtete weiter: "Zuerst konnte er [Beethoven] nicht verstehen, dass der irgendwie die Musiker beschämt hatte. Er dachte, es sei seine Pflicht, einen Fehler zu korrigieren, der gemacht wurde und dass das Publikum ein Anrecht darauf hatte, für sein Geld alles ordentlich gespielt zu hören. Er bat jedoch das Orchester bereitwillig und herzlich um Verzeihung für die Blamage, der er es ausgesetzt hatte, und war ehrlich genug, die Geschichte selbst zu erzählen und alle Verantwortung für seine eigene Zerstreutheit zu übernehmen].
Moscheles berichtet laut Thayer-Forbes:
"Moscheles: I remember having been present at the performance in question, seated in a corner of the gallery, in the Theater-an-der-Wien. During the last movement of the Fantasia I perceived that, like a run-away carriage going down-hill, an overturn was inevitable. Almost immediately after it was, that I saw Beethoven give the signal for stopping. His voice was not heard; but he had probably given directions where to begin again, and after a moment's respectful silence on the part of the audience, the orchestra recommenced and the performance proceeded without further mistakes or stoppage. To those who are acquainted with the work, it may be interesting to know the precise point at which the mistake occurred. It was in the passage where for several pages every three bars make up a triple rhythm" [Thayer-Forbes: 449; --
-- " . . . "Ich erinnere mich, dass ich bei der fraglichen Vorstellung anwesend war und in einer Ecke in der Galerie saß, im Theater an der Wien. Während des letzten Satzes der Fantasie beobachtete ich, dass, wie in einer den Berg hinunterbreschenden Kutsche, ein Sturz unvermeidlich war. Beinahe sofort nachdem dies eintraf, sah ich Beethoven das Signal zum Einhalten geben. Seine Stimme konnte ich nicht hören, aber er hat wohl Anweisungen gegeben, wo wieder begonnen werden sollte, und nach einem Augenblick höflicher Stille vonseiten des Publikums, fuhr das Orchester fort und die Vorstellung ging ohne weitere Fehler oder Unterbrechungen zu Ende. Für diejenigen, die das Werk kennen, mag es interssant sein, die genaue Stelle zu wissen, bei der der Fehler passierte. Es war in der Passage, in der über mehrerer Seiten hinweg jeweils drei Takte einen dreifachen Rhythmus bilden").
Thayer-Forbes (S. 448) geht auch auf Johann Friedrich Reichardts Bericht ein. Zu diesem Musiker, Musikkritiker und Schriftsteller der Beethoven'schen Zeit können wir Ihnen die folgende, von uns zusammengetragene Information anbieten:
Anstatt hier das kürzere, englischsprachige Reichardt-Zitat aus Thayer-Forbes einzuschalten, bieten wir Ihnen hier das längere, deutsche Zitat aus TDR:
"Reichardt beginnt einen vom 25. Dezember 1808 datierten Brief mit einem Bericht über die »Akademie«, welchen wir hier mitteilen. »Die verflossene Woche«, schreibt er, »in welcher die Theater verschlossen und die Abende mit öffentlichen Musikaufführungen und Concerten besetzt waren, kam ich mit meinem Eifer und Vorsatz, Alles hier zu hören, in nicht geringe Verlegenheit. Besonders war dies der Fall am 22sten, da die hiesigen Musiker für ihre treffliche Wittwenanstalt im Burgtheater die erste diesjährige große Musikaufführung gaben; am selbigen Tage aber auch Beethoven im großen vorstädtischen Theater ein Concert zu seinem Benefiz gab, in welchem lauter Compositionen von seiner eigenen Arbeit aufgeführt wurden. Ich konnte dieses unmöglich versäumen und nahm also den Mittag des Fürsten von Lobkowitz gütiges Anerbieten, mich mit hinaus in seine Loge zu nehmen, mit herzlichem Dank an. Da haben wir denn auch in der bittersten Kälte von halb sieben bis halb elf ausgehalten, und die Erfahrung bewährt gefunden, daß man auch des Guten - und mehr noch des Starken - leicht zu viel haben kann. Ich mochte aber dennoch so wenig als der überaus gutmüthige, delicate Fürst, dessen Loge im ersten Range ganz nahe am Theater war, auf welchem das Orchester und Beethoven dirigirend mitten darunter, ganz nahe bei uns stand, die Loge vor dem gänzlichen Ende des Concertes verlassen, obgleich manche verfehlte Ausführung unsre Ungeduld in hohem Grade reizte. Der arme Beethoven, der an diesem seinem Concert den ersten und einzigen baaren Gewinn hatte, den er im ganzen Jahre finden und erhalten konnte, hatte bei der Veranstaltung und Ausführung manchen großen Widerstand und nur schwache Unterstützung gefunden. Sänger und Orchester waren aus sehr heterogenen Theilen zusammengesetzt, und es war nicht einmal von allen auszuführenden Stücken, die alle voll der größten Schwierigkeiten waren, eine ganz vollständige Probe zu veranstalten, möglich geworden. Du wirst erstaunen, was dennoch alles von diesem fruchtbaren Genie und unermüdeten Arbeiter während der vier Stunden ausgeführt wurde. Zuerst eine Pastoralsymphonie, oder Erinnerungen an das Landleben. Erstes Stück: Angenehme Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen. Zweites Stück: Scene am Bach; drauf fällt ein viertes Stück: Donner und Sturm. Fünftes Stück: Wohlthätige mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm. Jede Nummer war ein sehr langer vollkommen ausgeführter Satz voll lebhafter Malereien und glänzender Gedanken und Figuren; und diese eine Pastoralsymphonie dauerte daher schon länger, als ein ganzes Hofconcert bei uns dauern darf.« Welche Aufnahme die Symphonie bei den Zuhörern gefunden habe, wird nirgends berichtet; der Korrespondent der Allgemeinen Musikalischen Zeitung weicht sogar einer Kritik aus. Doch wurde die gewöhnliche Ehre, am Schlusse derselben hervorgerufen zu werden, dem Komponisten zuteil, wie aus einer von Ferd. Hiller erzählten Anekdote hervorgeht. »Einer der bekanntesten russischen Musikfreunde, Graf Wilhourski, erzählte mir«, sagt er, »wie einsam er in den Sperrsitzen bei der ersten Aufführung der Pastoralsymphonie dagesessen und wie Beethoven ihm, als er gerufen worden, einen so zu sagen persönlichen, halb freundlichen, halb ironischen Bückling gemacht.« Reichardt fährt fort: »Dann folgte als sechstes Stück eine lange italienische Scene, von Demoiselle Killizky, der schönen Böhmin mit der schönen Stimme, gesungen. Daß das schöne Kind heute mehr zitterte als sang, war ihr bei der grimmigen Kälte nicht zu verdenken: denn wir zitterten in den dichten Logen in unsere Pelze und Mäntel gehüllt.« Siebentes Stück: Ein Gloria in Chören und Solos, dessen Ausführung aber leider ganz verfehlt wurde. Achtes Stück: Ein neues Fortepiano-Concert von ungeheurer Schwierigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav, in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführtem Gesange, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch mich dabei durchströmte. Neuntes Stück: Eine große sehr ausgeführte, zu lange Symphonie. Ein Kavalier neben uns versicherte, er habe bei der Probe gesehen, daß die Violoncellpartie allein, die sehr beschäftigt war, vier und dreißig Bogen betrüge. Die Notenschreiber verstehen sich hier freilich auf's Ausdehnen nicht weniger, als bei uns die Gericht- und Advocatenschreiber. Zehntes Stück: Ein Heilig, wieder mit Chor- und Solopartien; leider wie das Gloria in der Ausführung gänzlich verfehlt. Elftes Stück: Eine lange Phantasie, in welcher Beethoven seine ganze Meisterschaft zeigte, und endlich zum Beschluß noch eine Phantasie, zu der bald das Orchester und zuletzt sogar der Chor eintrat. Diese sonderbare Idee verunglückte in der Ausführung durch eine so complette Verwirrung im Orchester, daß Beethoven in sei-nem heiligen Kunsteifer an kein Publicum und Locale mehr dachte, sondern drein rief, aufzuhören und von vorne wieder anzufangen. Du kannst Dir denken, wie ich mit allen seinen Freunden dabei litt. In dem Augenblick wünschte ich doch, daß ich möchte den Muth gehabt haben, früher hinaus zu gehen.« [TDR, Band 3, S. **]Wie Thayer-Forbes (S. 449) schreibt, ist das finanzielle Ergebnis des Konzerts nicht bekannt. Jedoch gebe es eine Anweisung Fürst Esterhazys an seinen Zahlmeister, die auf den 18. Januar 1809 datiert sei, und die die Summe von 100 Gulden mit einschließe, die an Beethoven für seine "Akademie" ausgezahlt werden sollen. TF verlässt sich dabei auf die Veröffentlichung vom 13. November 1868 im "Grenzboten", laut TDR Bd. 3, S. 84, n.1.
Barry Cooper (S. 180) fügt noch an, dass "in terms of its content, this was the most remarkable concert of his [Beethoven's] entire careeer", also dass dieses Konzert vom Inhalt her das bemerkenswerteste Konzert von Beethovens ganzer Laufbahn gewesen sei.
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Quellenangaben:
Cooper, Barry: Beethoven. (Master Musician Series, edited by Stanley Sadie). Oxford: Oxford University Press, 2000.
Ludwig van Beethoven. Briefwechsel Gesamtausgabe. [6 Bände] Im Auftrag des Beethoven-Hauses Bonn herausgegeben von Sieghard Brandenburg. München: 1996, G. Henle Verlag.
Thayer's Life of Beethoven, edited by Elliott Forbes. Princeton, New Jersey Princeton University Press, 1964.
A. W. Thayer: Ludwig van Beethovens Leben. Nach dem Original-Manuskript deutsch bearbeitet von Hermann Deiters, 5 Bände, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1907 (Bd. 4), 1908 (Bd. 5), 1910 (Bd. 2), 1911 (Bd. 3), 1917 (3. Aufl., Bd. 1).